„War of Talents“ und „Demografische Schere“ sind längst keine Fremdwörter mehr. Doch die meisten Unternehmen hatten bislang herzlich wenig dafür übrig. Die Altersstruktur ist doch gut wie sie ist – warum etwas ändern? Aber die Zeiten ändern sich. Aus weit entfernten Zukunftsprognosen ist Realität geworden. Längst ist der demografische Wandel im Hier und Jetzt angekommen. Gerade Personaler und Geschäftsführung bekommen ihn deutlich zu spüren. Doch was bedeutet das eigentlich – demografischer Wandel? Welche Faktoren treiben die Entwicklung voran und wie wirkt sie sich auf die Wettbewerbsfähigkeit von Unternehmen aus?
Demografischer Wandel bedeutet nichts anderes, als dass sich die essenzielle Struktur der Bevölkerung eines Landes verändert. Diese Veränderungen sind aber nicht nur vorübergehend. Sie sind von Dauer. So krempelt sich die Zusammensetzung der Bevölkerung grundlegend um.
Drei Parameter sind maßgeblich für den demografischen Wandel verantwortlich:
Die Lebenserwartung in Deutschland steigt – und das schon seit einem ganzen Jahrhundert. Seit den 1970er-Jahren darf sich jeder Geborene im Schnitt auf bis zu 2,5 Extrajahre pro Jahrzehnt freuen. Laut der Sterbetafel von 2010/2012 schaffen es die Mädchen auf durchschnittlich 83 Jahre und die Jungen auf 78 Jahre.
Und das soll es noch lange nicht gewesen sein. Bis zum Jahr 2060 rechnet das Statistische Bundesamt mit weiteren sechs bis acht Jahren Lebenserwartung für die Mädchen und weiteren sieben bis neun Jahren für die Jungen. Grund für die erfreulichen Prognosen ist die merklich gestiegene Überlebenswahrscheinlichkeit im fortgeschrittenen Alter. Die moderne Medizin verlängert das Leben um einige kostbare Jahre.
In den 1950er und 1960er-Jahren herrschte ein regelrechter Babyboom. Im Schnitt brachte jede Frau damals zwei Kinder zur Welt. Doch dann kam der Pillenknick. Mit der Einführung der Anti-Baby-Pille in den 1960er-Jahren schwindet die Geburtenrate auf nur mehr 1,4 Kinder pro Frau – weit unter dem überlebenswichtigen und bestandserhaltenden Niveau von 2,1 Babys pro Frau. Sprich: Nur mehr zwei Drittel von Elterngenerationen werden von ihrem Nachwuchs ersetzt. Und das soll auch in Zukunft so bleiben. Laut Berechnungen des Statistischen Bundesamtes soll die Geburtenrate konstant zwischen 1,4 und 1,6 Kinder pro Frau bleiben.
Seit 1972 können die Geburten die Sterbefälle in Deutschland nicht mehr ausgleichen. Zum Glück ließ sich diese negative Entwicklung in der Vergangenheit stets durch einen positiven Wanderungssaldo kompensieren. Allerdings weist dieser in den vergangenen Jahren immer wieder starke Schwankungen auf. Der letzte große Zustrom erfolgte 1992, als der Ostblock für sogenannte Aussiedler geöffnet wurde. Nach dieser Zuwanderungsspitze jedoch ging der Wanderungssaldo zurück. Zwischen 2003 und 2011 war daher bereits ein leichter Bevölkerungsrückgang zu spüren.
Doch es gibt Grund zum Aufatmen: Seit 2012 ist der Trend in Deutschland wieder positiv. Allein 2014 durfte man einen Wanderungssaldo von 550 000 verzeichnen – mit Tendenz steigend. Durch den massiven Flüchtlingszustrom im Jahr 2015 ist sogar nochmals mit einem spürbaren Wanderungszuschuss zu rechnen.
Gut zu wissen:
Diese essenziellen gesellschaftlichen Veränderungen krempeln eine Gesellschaft spürbar und dauerhaft um – sei es auf Kommunal-, Landes- oder Bundesebene. Auf nahezu allen Ebenen macht sich der demografische Wandel bemerkbar – ob in der Arbeitswelt, bei den Sozialversicherungen, in der Familienpolitik oder bei der Infrastruktur.
Besonders stark zu spüren bekommt den demografischen Wandel die Arbeitswelt. Denn in kaum einem Bereich ist die Bevölkerungsstruktur, insbesondere die Altersstruktur, so relevant. Maßgeblich wirkt sie sich auf die Produktivität und das Wachstumspotenzial der Volkswirtschaft aus. Eine weitere Herausforderung: Die Sozialversicherungssysteme eines Landes sind von ausreichend Beitragszahlern und damit sozialversicherungspflichtigen Beschäftigten abhängig. Nur so können dem Bürger reibungslose Renten-, Kranken- und Arbeitslosenversicherungsleistungen garantiert werden.
Schrumpft und altert die Bevölkerung, ist bis 2060 mit einem Rückgang der Erwerbsbevölkerung von 20 bis 30 Prozent zu rechnen. In Zahlen gesprochen: 2014 waren es noch 49 Millionen Erwerbstätige. Infolge des demografischen Wandels aber könnte die Anzahl auf 38 Millionen oder gar 34 Millionen sinken – schlechte Nachrichten für den Arbeitsmarkt. Das Erwerbspersonenpotenzial nimmt drastisch ab und bedroht die Produktivität und das Wachstumspotenzial der Arbeitswelt.
Schon heute klagen Unternehmen über Fachkräftemangel. Doch die Lage soll sich in Zukunft sogar noch mehr zuspitzen. Laut einer neuen Studie des Wirtschaftsforschungsinstituts Prognos für die Vereinigung der Bayerischen Wirtschaft könnten 2025 rund 2,9 Millionen Fachkräfte auf dem deutschen Arbeitsmarkt fehlen.
Schuld am Fachkräftemangel ist der demographische Wandel. Schritt für Schritt verabschiedet sich die kinderreiche Babyboomer-Generation vom aktuellen Arbeitsmarkt und hinterlässt eine große Lücke an Fachkräften. Bis 2031 soll diese Lücke ihren Höhepunkt erreichen. Dann fehlen Deutschland bereits 3,6 Millionen qualifizierte Arbeitskräfte.
Tag für Tag steigt die Lebenserwartung um sechs Stunden. So dürfen wir uns über ein deutlich längeres Leben freuen. Das Max-Planck-Institut geht sogar davon aus, dass jedes zweite seit 2000 geborene Kind die goldene 100-Marke knacken wird.
Für Arbeit und Wirtschaft ist das Geschenk des längeren Lebens aber nicht immer nur ein Geschenk. Im Gegenteil: Unsere Gesellschaft wird immer älter. Und je älter sie wird, desto weniger Beschäftigte im erwerbsfähigen Alter gibt es. Umso größer fällt die Arbeitsbelastung für die Jüngeren aus. Der Grund: Den Älteren unserer Gesellschaft muss immer länger Rente gezahlt werden.
Der demographische Wandel macht der Wettbewerbsfähigkeit von Unternehmen einen dicken Strich durch die Rechnung. Der Fachkräftemangel, die immer ältere werdende Bevölkerung und die schwindende Zahl an erwerbsfähigen Beschäftigten bedrohen die Konkurrenzfähigkeit. Es wird schwieriger, sich gegenüber seinen Nebenbuhlern zu behaupten.
Doch selbstverständlich nehmen Konzerne die demographischen Entwicklungen nicht tatenlos hin. Sie konzentrieren sich verstärkt auf den wohl wichtigsten Wettbewerbsfaktor Mitarbeiter. Der War of Talents ist in vollem Gange. Mit viel Hingabe, Feingefühl und Kreativität buhlen sie um die besten Bewerber auf dem Arbeitsmarkt. Vom originellen Employer Branding über die beste Work-Life-Balance bis hin zum offenen, modernen Arbeitsumfeld – im Kampf um den wichtigsten Wettbewerbsfaktor Mitarbeiter scheuen viele Unternehmen keine Kosten und Mühen.
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